Entwicklung von Patient Reported Outcome Measures (PROM)

Entwicklung von Patient Reported Outcome Measures (PROM)

02.08.2021

Den Nutzen, die Wichtigkeit sowie die Relevanz von sog. Patient Reported Outcomes (PROs) haben wir bereits in einem früheren Artikel erklärt. Damals haben wir insbesondere den Nutzen von PROs für die Präzisionsmedizin, für randomized controlled trials (RCTs) und für die Marktzulassung von Medikamenten hervorgehoben. > Hier geht’s zum Artikel!

Heute hingegen, wollen wir das Thema noch einmal von einer anderen Seite betrachten und dabei die Frage beantworten, wer die Fragebögen, welche subjektive Patientenmeinungen abfragen, eigentlich erstellt. Wie werden PROMs auf Validität, dh. auf Genauigkeit der Übereinstimmung von Messergebnis mit Messkonstrukt, und Reliabilität, also die fehlerfreie Messung, damit die Messungen auch mit der Grundgesamtheit übereinstimmen, überprüft? Gibt es eigentlich internationale Standards für PROMs?

Zur Beantwortung dieser Fragen fangen wir am Anfang, bei den Herstellern der PROMs an. Folgend stellen wir dazu zunächst die zwei wichtigen Player der Branche vor.

Was ist die ICHOM Initiative?

Im Buch “Redefining Health Care”, 2006 stellten die Autoren Michael E. Porter und Elisabeth O. Teisberg das Konzept der wertorientierten Gesundheitsversorgung vor. Das bedeutet, dass die Gesundheitsversorgung so ausgerichtet werden sollte, dass sie “Wert” für die Patienten schafft. Wert wird dabei als Endpunkt von Gesundheit geteilt durch die dafür aufgewendeten Kosten definiert.[1] In die Wertrechnung eingeschlossen werden z.B. auch durch die Patienten gemeldeten Endpunkte. Schließlich soll die Gesundheitsversorgung so auf den Wert sowie die Zusammensetzung der Endpunktkategorien fokussiert werden.[2] Bis dato wurde in der Gesundheitsversorgung nämlich nur auf die Endpunktkategorien Mortalität, also die Anzahl der Todesfälle aufgrund einer bestimmten Krankheit pro 1000 Personen pro Jahr und Morbidität, die Anzahl der Erkrankten einer Population pro Jahr, beachtet.[2] Aus eigener Überzeugung heraus, dass insbesondere PROs zusätzlich einen großen Nutzen für die Gesundheitsversorgung haben, gründeten Porter und Teisberg zusammen mit der Boston Consulting Group im Jahr 2012 das ICHOM zur Erhebung dieser PROs.

ICHOM – das steht für International Consortium for Health Outcome Measurements, mit Sitz in Boston, USA, entwickelt zusammen mit Patienten, Ärzten und anderen Branchenexperten, die nötigen Werkzeuge um Patient Reported Outcomes zu messen. Dabei handelt es sich um standardisierte Fragebögen, sog. Standardsets, die Patienten, je nach Zielgruppe und Krankheit, selbst ausfüllen.[3,4] Über diese Standardsets werden anschließend subjektive Endpunkte von Therapien zur empfundenen Lebensqualität der Patienten gemessen. Das Ergebnis ist dann in der gleichen Zielgruppe, bzw. unter Patienten mit der gleichen Krankheit vergleichbar.

Was macht das ICHOM?

Die Aufgabe von ICHOM besteht also darin, diese Fragebögen erstens zu operationalisieren, also bestimmte Konstrukte, wie zB. körperliches und geistiges Wohlbefinden, in einzelne Fragen, d.h. Items, zu transformieren und zweitens zu standardisieren, also vergleichbar zu machen. Zusätzlich, zählt auch die Festlegung von Normwerten der einzelnen Konstrukte, um diese als Referenzwerte nutzen zu können, zu den Aufgaben vom ICHOM.[4] Die non-profit Organisation arbeitet mit Forschern unterschiedlicher Fachrichtungen, Patienten, Ärzten, medizinischen Fachkreisen und anderen Experten zusammen, um die neuesten medizinischen Erkenntnisse zur Entwicklung der Sets zu nutzen. Dadurch bleiben die Standardsets immer aktuell und weisen fortlaufend eine hohe Qualität auf.[5]

Fazit

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die internationale Vergleichbarkeit der Eigeneinschätzung der Patienten unter den einzelnen Krankheits- und Zielgruppen, entlang der gesamten Behandlungskette die zentrale Aufgabe des ICHOM ist. Aktuell bietet das ICHOM 30 evaluierte und standardisierte kostenfreie Sets an, die die wichtigsten Krankheitsbilder abdecken.[4]

Was ist die PROMIS Initiative?

Als der Direktor des US-amerikanischen National Institutes of Health (NHI), 2002, über viele Meetings hinweg eine Roadmap für die medizinische Forschung im 21ten Jahrhundert in Auftrag gab, wurde die Idee der Erschließung von Patienten berichteten Ergebnissen chronischer Krankheiten als neuer Weg der medizinischen Forschung entwickelt.[6] Daraus entstand, zwei Jahre später, die Gruppe PROMIS, um genau diese Idee in die Realität umzusetzen. PROMIS steht dabei für Patient Reported Outcome Measurement Information System. Die internationale Forschungsinitiative entwickelt, genau wie das ICHOM, international standardisierte Messsysteme zur Untersuchung von durch Patienten gemeldeten Endpunkten.[7] Der Unterschied ist, dass die Fragebögen von PROMIS auf alle Patienten, mit oder ohne Krankheit bzw. laufender Therapie, anwendbar sind. Das heißt, dass diese Endpunkte der Evaluation von körperlicher, psychischer und sozialer Gesundheit unter allen Menschen vergleichbar ist. Anders als bei bei den Sets von ICHOM spielt es bei den Fragebögen von PROMIS keine Rolle ob und welche Krankheit eine Person hat, um vergleichbare Ergebnisse zu bekommen.[1]

Nationale Aufteilung der PROMIS

Die internationale PROMIS Initiative ist in nationale Einheiten gegliedert. In Deutschland gibt es beispielsweise das PROMIS Germany, ansässig in der Charité Berlin. Diese nationalen Einheiten übersetzen die einzelnen Fragebögen, damit sie auch weiterhin international vergleichbar bleiben. Außerdem kümmert sich PROMIS Germany um die Validierung der Sets. Das heißt PROMIS Germany stellt sicher, dass die Fragebögen auch wirklich das Konstrukt messen, welches sie messen sollen.

Vorteile und Wichtigkeit der Arbeit des PROMIS und ICHOM

Generell ist ein hohes wissenschaftliches Interesse an den PROMIS Items zu erkennen. So erschienen alleine in der ersten Jahreshälfte von 2021 knapp 100 Studien, die die Items von PROMIS entweder zur Evaluation von Therapieendpunkten nutzten oder das PROMIS System auf Validität überprüfen und die Nützlichkeit bestätigen. Es ist wichtig derartige Instrumente zu entwickeln, da in der Vergangenheit verschiedenste Messmethoden in den unterschiedlichen medizinischen Bereichen entwickelt wurden, so auch die Sets vom ICHOM, die zwar das gleiche Merkmal messen aber aufgrund ihrer krankheitsspezifischen Ausrichtung nicht unbedingt vergleichbare Ergebnisse liefern. Das heißt körperliche Funktionsfähigkeit könnte zum Beispiel in dem Fragesatz für ein Krankheitsbild anders als für ein anderes Krankheitsbild abgefragt werden. Dadurch entstehen zum einen Redundanzen in der Abfrage und geringe Vergleichbarkeit zwischen Patienten verschiedener Krankheitsbilder. Außerdem war die Qualität der unterschiedlichen Fragebögen oft sehr unterschiedlich. So wird heute dazu geraten eher krankheitsunspezifische Items, wie zb. die der PROMIS, anstatt krankheitsspezifische Items, wie die der ICHOM, zu verwenden. Um neben Goldstandard-Studien (RCTs) auch die klinische Diagnostik zu unterstützen, braucht es somit standardisierte, krankheitsunspezifische Messsysteme die von Forschungsinitiativen, wie dem PROMIS, entwickelt werden.

Fazit

Durch die von den beiden Initiativen erhobenen selbst berichteten Patientenergebnissen werden immer individuellere, präzisere Therapiesteuerungen, Prognosen und Screenings möglich. Diese gemessenen Endpunkte sind schon in den letzten Jahren, in der medizinischen Forschung und Therapieevaluation, immer relevanter geworden. Beispielsweise ist in der Beurteilung des Nutzens des Endpunkts “Lebensqualität” mittlerweile als subjektiver Endpunkt seit einigen Jahren schon fest in Therapieevaluationen verankert.[4] Somit bewerten auch wir bei XO Life PROs als ein sinnvolles Instrument um der Medizin in Zukunft weiter zu helfen sich noch präziser, patientenorientierter und wertorientierter zu entwickeln.

Quellen:

[1] Terwee C.B., Zuidgeest M., Vonkeman H.E, Cella D., Haverman L., Noorda L.D. (n.d.). Common patient-reported outcomes across ICHOM Standard Sets – the potential contribution of PROMIS. https://osf.io/fbw2j/download

[2] Harvard Business School. (n.d.) International Consortium for Health Outcome Measurement. https://www.isc.hbs.edu/about-michael-porter/affiliated-organizations-institutions/Pages/ichom.aspx

[3] IQWiG. (2020) Konzepte zur Generierung versorgungsnaher Daten und deren Auswertung zum Zwecke der Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach § 35a SGB V. https://www.iqwig.de/download/a19-43_versorgungsnahe-daten-zum-zwecke-der-nutzenbewertung_rapid-report_v1-1.pdf?rev=184598 

[4] Deutsches Ärzteblatt. (2020). Rehabilitation: Messbarer Patientennutzen als Ziel. https://www.aerzteblatt.de/archiv/212785/Rehabilitation-Messbarer-Patientennutzen-als-Ziel

[5] ICHOM. (n.d.). About Us. https://www.ichom.org/mission/#founders

[6] Cella D. et al. (2007). The Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS). https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2829758/

[7] PROMIS. (n.d.). Hintergrund. https://promis-germany.de/ueber-promis-2/hintergrund/

[8] PROMIS. (n.d.). Publications by Year. https://www.healthmeasures.net/explore-measurement-systems/promis/measure-development-research/publications-promis

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